Baugruppentests mit Boundary-Scan bringen nicht nur Sicherheit, sondern echten Mehrwert
Vielfach werden Tests mit Boundary-Scan eher als Kostenfaktor, weniger als echter Mehrwert für das Endprodukt angesehen. Warum sollte man also überhaupt mit Boundary-Scan testen?
In der Tat kann der Test einer Baugruppe ein kostspieliges Unterfangen werden. Investitionen sind unvermeidlich und werden deshalb häufig unterlassen. Trotzdem oder gerade deshalb stellt sich die Frage nach dem Sinn gründlicher Tests eines jeden Elektronikprodukts, auch und vor allem mit Boundary Scan.
Zwei Aspekte müssen hierbei ins Kalkül gezogen werden:
1. Für ein nicht oder unzureichend getestetes Produkt kann dessen Qualität nicht umfassend garantiert werden.
2. Langfristig bringt ein richtig durchgeführter Test einen geldwerten Vorteil.
Unzureichend getestete Produkte, die den Kunden erreichen, führen zu vermehrten Ausfällen und damit verbundenen Garantieansprüchen. Der logistische Aufwand, ein defektes Produkt zu ersetzen, kann dabei den Wert des Produkts bei weitem überschreiten.
Andererseits ist es nicht immer notwendig, eine hundertprozentige Testabdeckung anzustreben. Der Aufwand, die letzten paar Prozent Testabdeckung zu erreichen, wächst erfahrungsgemäß exponentiell.
In Abhängigkeit von der Produktart muss jedoch eine Kosten-/Nutzenabwägung durchgeführt werden. In den Bereichen Medizin, Automotive oder Aviation gibt es natürlich andere Anforderungen an die Produktqualität und -sicherheit als im Consumerbereich. Deshalb fallen Investments je nach Zielmarkt auch ganz unterschiedlich aus.
Der Test einer elektronischen Baugruppe umfasst typischerweise drei Elemente: Komponenten, physische Verbindungen und funktionale Verbindungen. Gängige Methoden, mit denen Tests durchgeführt werden sind z.B. die automatische optische Inspektion (AOI), die automatische Röntgeninspektion (AXI), In-Circuit-Tests (ICT), Boundary-Scan und die Funktionsprüfung mit Testsoftware.
Wie effizient eine Testmethode ist, lässt sich anhand der Quote gefundener Fehler ermitteln. Optische Methoden können feststellen, ob ein Bauteil vorhanden ist, ob es den richtigen Wert hat und ob es korrekt bestückt ist. Elektrische Methoden werden angewandt um festzustellen, ob es Kurzschlüsse oder offene Verbindungen gibt und ob Bauteile auf Stimuli reagieren. Schließlich können Funktionstests nachweisen, dass Bauteile wie gewünscht funktionieren, z.B. indem sie mit voller Geschwindigkeit betrieben werden.
Im englischen Sprachraum werden diese Methoden unter den Akronymen PCOLA, (für Presence - Correctness - Orientation - Live - Alignment), SOQ (für Shorts – Opens – Quality) bzw. FAM (für Features – At-Speed – Measurement) zusammengefasst.

Bei der Bewertung, welche der Methoden einen signifikanten Beitrag zur Testabdeckung liefern kann, müssen Erkennungswahrscheinlichkeit und Kosten der Implementierung abgewogen werden. Boundary-Scan leistet einen erheblichen Beitrag zur sicheren Erkennung von Baugruppenfehlern, insbesondere bei dichter Bestückung bei Bauteilen, deren Pins für kontaktierende Methoden (ICT, Flying Probes) unerreichbar sind. Um den Boundary-Scan-Test einer Baugruppe ermöglichen, sind nur geringe Änderungen bzw. Ergänzungen in Schaltplan und Layout erforderlich. Die Entwicklung der Testprozeduren kann entwicklungsbegleitend erfolgen und steht idealerweise schon bei der Inbetriebnahme des ersten Prototyps zur Verfügung.
Die Investitionen für ein Boundary-Scan-Testsystem erscheinen zunächst erheblich, jedoch ist ein solches Testsystem keine Investition für nur ein einziges Zielsystem, sondern kann i.d.R. für viele weitere Baugruppen eingesetzt werden.
Tests mit Boundary-Scan sind im Vergleich zu ICT oder Flying-Probe-Testern ungleich flexibler. Gleichwohl können ICT oder Flying Probes zusammen mit Boundary-Scan eingesetzt werden. ICT-Adapter fallen hierbei allerdings weit weniger komplex aus und sind deshalb preiswerter. Funktionale Tests lassen sich mit dafür vorgesehenen Boundary-Scan-Testsystemen gleich mit erledigen.
Insgesamt führt Boundary-Scan zu geringeren Ausschussraten, reduzierter Gesamttestzeit, schnellerer Produkteinführung und durch die Wiederverwendbarkeit von Testprozeduren zu weiter reduzierten Kosten bei Folgeprojekten.
Quintessenz: Nicht jede Baugruppe eignet sich für Boundary-Scan, aber unter bestimmten Voraussetzungen kann Boundary-Scan einen erheblichen Beitrag zur Produktqualität, zur Produktionsausbeute und zur Kostenreduzierung beitragen. Vor allem aber die Flexibilität und Wiederverwendbarkeit von Boundary-Scan erlauben es, dass sich die Investitionskosten in kurzer Zeit amortisieren.
Wenn Sie Fragen zu Boundary-Scan im Allgemeinen oder im Zusammenhang mit Ihrem Produkt haben, wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an uns. Als europäische Vertretung von Corelis, Inc. aus Cerritos, Kalifornien, führen wir Schulungen und Machbarkeitsstudien für Ihr Projekt durch, um Ihnen eine optimale Entscheidungsgrundlage zu bieten.
Die Miniaturisierung moderner Baugruppen nimmt ständig zu. Dabei enthalten diese immer mehr hochintegrierte Bauteile, deren Packungsdichte klassische Testmethoden in bestücktem Zustand mit traditionellen Testmethoden erschwert oder gänzlich unmöglich macht. Meist kann der Entwickler davon ausgehen, von seinem Leiterplattenlieferanten fehlerfrei gefertigte Leerplatinen erhalten zu haben. Wenn aber die bestückte Platine bei der Inbetriebnahme gar nicht oder zumindest nicht so wie erwartet funktioniert, muss geprüft werden, ob es sich um fehlende oder mangelhafte elektrische Verbindungen durch schadhafte Lötstellen oder beschädigte Leiterbahnen, Kurzschlüsse durch Lotbrücken, defekte oder falsch bestückte Bauteile oder andere Ursachen handelt.
Ein Überblick über gängige Testverfahren
In der Praxis haben sich über die Jahrzehnte viele Testverfahren etabliert, von denen jedes einzelne seine Stärken und Schwächen hat. Eine vollständige Testabdeckung erhält man grundsätzlich nur durch die Kombination mehrerer Verfahren. Es muss ein optimaler Kompromiss gefunden werden bei gleichzeitiger Reduktion von Ausschuss und Testkosten. Die speziellen Anforderungen des einzelnen Projektes und dieser Kompromiss beeinflussen hierbei die Auswahl des jeweiligen (elektrischen) Testverfahrens.
- Bildgebende Verfahren wie AOI [Automatisierte Optische Inspektion] und Röntgen liefern alleine keine hinreichenden Ergebnisse, sie können die elektrischen bzw. logischen Tests aber sinnvoll unterstützen, speziell bei Fehlbestückungsproblemen.
- Bei funktionalen Tests ist es ohne aufwändige und umfangreiche Prüfprogramme kaum möglich, Fehler für eine exakte Diagnose und zur Reparatur genau genug einzugrenzen. Dies erfordert jedoch langjährig erfahrenes Personal, entsprechende Software und viel Zeit für die Umsetzung. Nicht umsonst wird vieles an Testentwicklung an entsprechend spezialisierte Testhäuser ausgelagert.
- Tests mit In-Circuit Testern benötigen entsprechendes Equipment, jedoch sprengen oft allein die Prüfadapterkosten den vorgegebenen Kostenrahmen, besonders bei geringen Stückzahlen, wie sie im Embedded-Bereich oft anzutreffen sind. Oft ist es bei kompakten Baugruppen nicht einmal möglich, alle benötigten Testpunkte auf den Außenseiten der Platine unterzubringen. Im Zeitalter von "buried Vias" und BGA-Gehäusen mit Hunderten von Pins ist typischerweise nur noch ein geringer Teil der Netze an den Bauelementen oder Durchkontaktierungen frei zugänglich.
- Einen guten Kompromiss zwischen Aufwand und Aussagekraft der Ergebnisse stellt das Boundary-Scan Testverfahren dar. Dieses wurde ursprünglich von der JTAG [Joint Test Action Group] entwickelt und 1990 erstmals im IEEE-Standard 1149.1 festgelegt [1]. Hierbei werden Boundary-Scan-fähige Bauteile in einen speziellen Testmodus gesetzt, um mit speziellen Testmustern stimuliert zu werden.
Aus den Rückantworten bzw. durch das resultierende Ausgangsmuster dieses „Scans“ können aussagekräftige Rückschlüsse auf Funktion und Konnektivität der Schaltung gezogen werden. Der zusätzliche Aufwand ist überschaubar, da die komplette Boundary-Scan Logik mit vier oder fünf Signalen auskommt, die zwischen den Boundary-Scan-fähigen Bauelementen zusätzlich entflochten werden müssen. Zugang zur Platine erfolgt über einen intelligenten, an einen PC per USB oder LAN angeschlossenen JTAG-Controller, dessen JTAG-Anschluss (TAP = Test Access Port) an eine JTAG-Schnittstelle in der Schaltung angeschlossen wird. Die JTAG-Schnittstelle ist bei vielen Leiterplatten - insbesondere bei Prozessor-Boards - bereits vorhanden, da sie auch zum Debuggen einzelner Bauteile während der Produktentwicklung benötigt wird. Es ist also erforderlich, dass mindestens ein IEEE1149.1-kompatibles Bauteil in der zu testenden Schaltung vorhanden und über seinen TAP zugänglich ist, um die Baugruppe mit Boundary-Scan testen zu können.
Welche Möglichkeiten bietet ein Test mit Boundary-Scan?

Im Boundary-Scan-Modus werden die Pins eines Bausteins von der internen Logik isoliert und stattdessen an dessen Boundary-Scan-Zellen angeschlossen. [Abbildung rechts] Jeder Pin ist über den TAP des Bauteils steuerbar, d.h. Signalpegel können angelegt oder abgefragt werden.
Mehrere Boundary-Scan-fähige Bauelemente können dabei seriell miteinander zu einer sogenannten Scan-Chain verknüpft werden [Abbildung unten]. Komplexe Baugruppen können in mehrere Abschnitte unterteilt und einen sog. Multi-TAP-Controller gesteuert werden, wodurch die Prüfzeiten verkürzt werden können.
Bei geeigneter Topologie und mit intelligenten Testprozeduren können, von den Boundary-Scan-fähigen Bauteilpins ausgehend, alle erreichbaren Netze getestet werden. Entgegen der weit verbreitenden Fehleinschätzung können also nicht nur die Boundary-Scan-fähigen Bauteile selbst, sondern sämtliche angeschlossene Peripherie, sogar Optokoppler, Steckerverbinder und ähnlich "simple" Komponenten auf Funktion oder zumindest auf korrekte Verbindungen geprüft werden.
Die Funktionsweise von Boundary-Scan wird an anderer Stelle ausführlich beschrieben, zum Beispiel auf Wikipedia und in Präsentationen von Firmen, die mit ihren Tools das Testen von Baugruppen mittels Boundary-Scan möglich machen.
Natürlich bedingt auch das Boundary-Scan Verfahren einen gewissen Zusatzaufwand: Für den Test mit Boundary-Scan müssen geeignete Bauelemente eingesetzt und zusätzliche Verbindungen vorgesehen und entflochten werden. Darüber hinaus sind geeignete Testkonzepte zu entwickeln, die beim Schaltungsdesign berücksichtigt werden müssen. Mehr dazu findet man unter https://dsp-sys.de/grundlagen-und-technische-voraussetzungen.
Außerdem bedingt jede neue Technologie, die in einem Unternehmen eingeführt wird, einen unter Umständen beträchtlichen Kostenaufwand für zu beschaffende Hard- und Software. Der überwiegende Teil der Kosten versteckt sich jedoch oft in der Ausbildung der Mitarbeiter, die während der Einarbeitungszeit für bestehende Projekte nicht zur Verfügung stehen. Aber nicht nur Kosten, sondern auch inhärente Risiken des Scheiterns sind den Kosten zuzurechnen, die mit der Einführung einer Prüftechnologie wie Boundary-Scan einher gehen.
Wann lohnt sich Boundary-Scan eigentlich? Eignen sich die vorliegenden Projekte, eine fünfstellige Investition zu rechtfertigen? Kann und will eine Firma Risiken eingehen und gibt es hier einen Königsweg?
TestGenie - Komplettlösung zum sofortigen Einsatz ohne Vorkenntnisse
ScanExpress TestGenie ist ein projektbezogenes Komplettpaket zur Erstellung einer kundenspezifischen Leiterplatte. Es besteht im Wesentlichen aus den folgenden fünf Komponenten:
- USB JTAG Controller, also ein leistungsfähiger Industriestandard Single-TAP JTAG Controller mit USB2-Anschluss.
- ScanExpress Runner Software, eine Laufzeitumgebung zum Ausführen von Testplänen mit automatisch oder manuell generierten Testvektoren einschließlich der automatischen Erstellung von aussagekräftigen Fehlerberichten. Dabei ist die Einbindung von externen Tests/Vektoren in verschiedenen Standardformaten möglich.
- Scan Express ADO Software, die ein mächtiges Diagnose-Werkzeug zur detaillierten Analyse der Ergebnisse der einzelnen Testschritte. Automatische Testvektor-Analyse und Auswertung darstellt. Sie ermöglicht eine Ausgabe in Klartext mit netz- und pinspezifischen Informationen. Durch die intuitive Benutzeroberfläche können Ergebnisse auch von wenig testerfahrenen Mitarbeitern untersucht und ausgewertet werden.
- ScanExpress Viewer Software, ein komfortables Werkzeug zur fotorealistischen Visualisierung der festgestellten Fehlstellen in einer aus den CAD-Daten automatisch generierten Darstellung des Testobjekts.
- Dienstleistungs- und Supportpaket, das projektspezifisch die Erstellung von ablauffähigen Testvektoren und die Erstellung von Testpläne für ScanExpress Runner beinhaltet.
Bei den Softwaremodulen handelt es sich um rechnergebundene, zeitlich unbefristete Lizenzen mit einem Jahr Softwarepflege und -Support für ein Entwicklungsprojekt.
Der Vorteil für den Kunden liegt im zeitlich und finanziell festgelegten und damit risikofreien Rahmen sowie im enormen Zeitgewinn bei der Inbetriebnahme der Baugruppe. Die Testvektoren werden typischerweise innerhalb weniger Tage ab dem ersten Abschluss der CAD-Daten fertig gestellt, so dass die Platine sofort nach Bestückung in Betrieb genommen bzw. getestet werden kann. Projektstart und Einbindung des Dienstleisters sollten sinnvollerweise bereits einige Zeit vor Abschluss von Entwicklung und Layout beim Kunden erfolgen.
Dadurch, dass Testvektoren und Teststrategien erst einmal vom Kunden nicht selbst entwickelt werden müssen ist das Konzept ideal für kleine und mittelständische Firmen, die Elektronik entwickeln und Ausbeute und Qualität steigern müssen. Auch und gerade wenn sie vorerst selbst nicht groß in den Ausbau ihrer Testabteilung investieren können oder wollen. Dies ist oft bei jungen und innovativen Unternehmen, oder solchen, die schnell wachsen der Fall. Selbst die Einführung von Boundary-Scan als Testmethode mit dem günstigsten Preis-/Leistungsverhältnis kann in der Startphase relativ teuer kommen, gerade wenn man auf leistungsfähige und zukunftssichere, komfortable Systeme setzt. Und dabei sind die Investitionskosten für Hard- und Software noch das kleinere Übel, wenn man an Einarbeitungszeit- und Kosten einerseits und den Mangel an erfahrenen Testingenieuren anderseits denkt. Der Projektansatz löst beide Probleme: Leistungsfähige Software wird projektspezifisch günstig verfügbar und finanziert sich selbst über die Kostenersparnis im eigenen Projekt. Know-how und Werkzeuge für die Erstellung von Teststrategien, -vektoren und –plänen können ohne großen Aufwand vom Lieferanten abgerufen werden. Es gibt kein effizienteres Lernen als Training-on-the Job mit einem erfahrenen Partner.
ScanExpress TestGenie ist ein für den Anwender risikofreies Komplettpaket, durch das er mit geringem Zeit- und Personalaufwand auch als Nicht-Testexperte viele der Vorteile des Boundary-Scan Verfahrens kennenlernen und für seine Zwecke nutzen kann. Die Kosten des Projektes amortisieren sich typischerweise durch Zeit- und Kostenersparnis bereits in der Prototypenphase. In der Serienfertigung ergeben sich weitere Kostenersparnisse durch mögliche Prozesszentrierungen und dadurch höherer Ausbeute sowie durch deutlich niedrigere Support- und Fehlerfolgekosten aufgrund weniger Ausfälle im Feld dank höherer Produktqualität.
Abbildung 2: Fehlererkennung (Kurzschluss und Unterbrechung) als typische Beispiele.
Abbildung 3: Typischer Aufbau einer Boundary-Scan Zelle.
Abbildung 4: Aufbau einer Boundary-Scan Kette.
Abbildung 5: Ablauf Testen-Diagnose-Visualisierung.
Abbildung 6: Beispiel für einen typischen JTAG Boundary-Scan Controller